Madeira - Mit dem Schlitten in die Stadt
Madeira - Blumeninsel, Wanderparadies, Naturphänomen. Die Atlantikinsel ist wahrlich ein spezieller Ort. Von der felsigen Steilküste im Norden bis zu den prächtigen Gärten und bunten Märkten in der Hauptstadt Funchal im Süden. Dazwischen liegt das vulkanische Bergmassiv schroff und mächtig, steil und wild. Im Westen und Süden der Insel wiederum findet man die verspielten Wasserläufe namens Levadas und subtropische Wälder. Es ist gerade diese eindrückliche Naturvielfalt, die die Insel so einzigartig macht - und ihr kulturelles Erbe, das zum Teil ganz schön Fahrt aufnimmt.
Sie sind eines der ältesten und sicherlich eines der besondersten öffentlichen Verkehrsmittel Portugals: die carros de cesto, die traditionellen Korbschlitten. Seit dem 19. Jahrhundert rauscht das handgefertigte Transportmittel von dem kleinen Bergdorf Monte hinab in die Funchal. Die Carreiros schieben und driften, lenken und bremsen den Schlitten mit einem Fuß auf der Kufe und dem anderen auf dem Asphalt.
Einst nutzten wohlhabende Herrenhaus-Besitzer den Korb auf Kufen, um schnell und bequem in die Stadt zu gelangen. Zudem wurden die carros de cesto für schnelle Kranken- und Warentransporte genutzt. Monte war aber auch ein Luftkurort, in dem Mitte des 19. Jahrhunderts viele Europäer das Klima genossen. Und so begann die besondere Talfahrt mit den bis zu 70 Kilogramm schweren Gefährten auch langsam zur touristischen Attraktion zu werden.
Damals wie heute werden die Schlitten aus Weidenholz von der Insel geflochten. Eine einzige spezialisierte Manufaktur gibt es auf Madeira und die befindet sich in Monte ein paar Straßen oberhalb des Startpunkts. Generell kommt hier nur heimisches Material zum Einsatz: Auch das Linden- und Kiefernholz für die Kufe stammt von der Insel. Zehn Minuten dauert das kurvige Kufen-Spektakel durch die schmalen Straßen und das bei Geschwindigkeiten bis an die 30 km/h.
Für die Rasanz der Doppelsitzer sorgen die mit Talg eingefetteten Holzkufen und natürlich die anschiebenden und geschickt steuernden Carreiros, die wiederum speziell besohlte Schuhe an ihren Füßen tragen - und den unabdingbaren Strohhut auf dem Kopf. Um die 150 Korbschlittenfahrer sind aktuell registriert. Wie ein Fußballspieler auf dem Platz, trägt jeder seine Nummer und geht ein Fahrer in den Ruhestand, dann wird sein Nachfolger persönlich von ihm in die Fahrkunst eingelernt.
Der Start der Tour liegt am Fuße der Kirche Nossa Senhora do Monte, einer katholischen Wallfahrtskirche.
In einer Seitenkapelle liegt in einem Metallsarkophag der letzte Kaiser von Österreich-Ungarn, Karl I. Nach seiner Verbannung Ende des Ersten Weltkriegs, kam er 1921 nach Madeira und lebte bis zu seinem Tod, sechs Monate später, in der Quinta Gordon, einem Herrenhaus oberhalb der Kirche. 2004 wurde er von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.
Ein Stoßgebet schickt wohl der eine oder andere Passagier auch gen Himmel. Doch obwohl die Straßen für den Verkehr geöffnet sind und somit auch mit Verkehr gerechnet werden muss, kann man den Fähigkeiten der Carreiros vertrauen. Heutzutage landet man auch nicht mehr ganz im Zentrum, sondern in Livramento, am nördlichen Stadtrand von Funchal. Von hier spaziert man etwa eine halbe Stunde hinein ins trubelig-bunte Herz von Funchal. Keine Sorge, die Carreiros müssen ihre Gefährte nach getaner Arbeit nicht wieder bergan ziehen. Sie bringt ein Kleinbus zurück hinauf nach Monte - bevor für den nächsten Passagier - und sicherlich unvergessliche - Schlitten-Schlittern ansteht.