Die Entdeckung der Liparischen Inseln
Eine Tiroler Wanderbegleiterin macht sich auf, einen brodelnden Geheimtipp im tyrrhenischen Meer zu entdecken.
Als Wanderbegleiterin von Bärkopf bin ich seit Jahren mit Gruppen im Süden von Kalabrien unterwegs. Dort geht es durch den Nationalpark Aspromonte, das Hinterland der Poro-Hochebene oder entlang der Küste der Straße von Messina. Als Italienliebhaberin genieße ich die Wochen sehr. Die Region ist mir mittlerweile so vertraut – aber überrascht und überwältigt mich zugleich stets aufs Neue. Besonders angetan hat es mir das Capo Vaticano, wo sich auch unser Hotel befindet. Die romantische Sonnenuntergangsstimmung hier ist kaum zu übertreffen. Sind die Tage klar, so taucht die Sonne direkt hinter dem Stromboli, diesem anmutigen wie stolzen Vulkan, in das feuerrote Meer ab.
Manchmal kann man neben der Stromboli-Pyramide in der Ferne sogar noch seine Nachbarinseln erkennen. Diese Momente genieße ich speziell, wenn ich sie mit Gästen auf der einladenden Hotelterrasse teilen kann.
So saßen wir einmal mehr an einem lauschigen Frühjahrsabend bei einem Aperitivo beisammen und erlebten dieses Naturschauspiel, als Christine, eine unserer Gäste, von der Schönheit der Liparischen Inseln zu schwärmen begann. Bereits vor vielen Jahren, so erzählte sie, habe sie einige der sieben Inseln erwandert. Sie berichtete von den tiefschwarzen Lavastränden, den wilden Steilküsten und den grandiosen Gipfeln. Ihr unvergessliches Highlight: die Besteigung des Stromboli. Christines lebendige Schilderungen infizierten mich so, dass ich dieses Inseljuwel sofort auf meine To-Do Liste setzte. Schon in den Tagen darauf spitzte ich meine Ohren und sammelte fleißig weitere Tipps und Geschichten. Dann legte ich mir einen Plan zurecht, wie ich Stephan und Alex – die beiden Köpfe von Bärkopf – überzeugen könnte, die Liparischen Inseln als neue Wanderdestination anzubieten und MICH zum Ausarbeiten des Programms dorthin zu schicken.
Nach meiner Rückkehr nach Innsbruck trug ich jegliche Reiseführer und Karten zusammen,studierte die Wanderwege und sammelte Argumente, um Stephan und Alex für die Äolischen Inseln zu begeistern – und das brauchte nicht lange.
Meine Faszination sprang in kurzer Zeit über und tatsächlich beauftragten sie mich mit der Ausarbeitung einer Wanderwoche. So sprach ich mit Idealtours meine erste Reise ins Tyrrhenische Meer ab und trat – ausgestattet mit GPS-Gerät, Kartenmaterial, Wanderschuhen, Expeditionshut und großer Vorfreude – meine Reise an. Natürlich hatte ich vorab Freunden und Bekannten von meinem nächsten Reiseziel berichtet – und dabei meist fragende Blicke geerntet. Die meisten hatten noch nie von den Liparischen Inseln gehört. Verwunderlich ist das kaum. Die Inselgruppe nördlich von Sizilien ist nicht ganz so einfach zu erreichen und wohl genau deshalb noch ein gut gehüteter Geheimtipp. Einen Flughafen gibt es nicht und die Überfahrt per Fähre oder Tragflügelbooten ist nur von wenigen italienischen Städten aus möglich. Wäre das anders und die Anreise einfacher, dann wären diese Inselschönheiten wahrscheinlich überrannt. So kann man sie noch in Ruhe genießen – und ihre kulinarischen Köstlichkeiten sowieso.
Von Lamezia Terme führt mich die Reise über die Straße von Messina nach Milazzo, einer 30.000-Einwohner-Stadt, deren Fährhafen die schnellsten Verbindungen nach Lipari und Co. bietet. Von dort aus sind es nur noch eineinhalb Stunden Bootsfahrt bis zum Start in das Äolische Inselabenteuer. Mein erstes Ziel ist Lipari Stadt, die als „Metropole“ der Inselgruppe ein perfekter Ausgangspunkt zu den Nachbarinseln ist. Außerdem wartet sie mit einer sehr hübschen Altstadt auf und die vielen Restaurants und Bars sorgen in den Abendstunden für beste Stimmung. Es zählt zu dem harten Los, wenn man für Bärkopf recherchiert, sich durch sämtliche Restaurants und Trattorien zu testen und sich von den Einheimischen ihre Lieblingstavernen zeigen zu lassen. Das muss sein – bei Bärkopf spielt eben neben dem Wander- und Naturgenuss auch das leibliche Wohl eine große Rolle. Ich füge mich also meinem Schicksal und probiere mich durch Salate und Pasta, Fischgerichte und Saucen mit Kapern und Oliven.
Schon bald komme ich mit zwei älteren Herren ins Gespräch, die – ganz inseltypisch – entspannt auf zwei Hockern vor einem rustikalen Haus sitzen und sich angeregt unterhalten. Ich frage sie aus über die Besonderheiten ihrer Heimat, und sie verraten mir die schönsten Buchten Liparis, erzählen von den endlosen Olivenhainen, in denen sie so viele Ernten über geschuftet haben, und erklären mir Mythologie und Geschichte der Inseln. Der Sommer, so sagen sie, sei unbeschwert und traumhaft. Die Wintermonate hingegen können „knallhart“ sein. Dann scheinen die sieben Inseln so gut wie ausgestorben. Schließlich landen wir bei der Kulinarik, und es wundert mich kaum, dass sich die beiden als Experten entpuppen: der eine ehemaliger Fischer, der andere Restaurantbesitzer. Sie legen mir mit aller Deutlichkeit ans Herz, im Nachbarort Canneto im Restaurant eines Enkels die Pizza Lingua und das Fileto die Pesce Spada, das Schwertfischfilet, zu probieren. Es ist eine herzliche wie informative Begegnung, eine von jenen, die das Reisen so wunderbar machen und an die man sich stets zurückerinnert. In den folgenden Tag besuche ich die unterschiedlichen Inseln.
Ich wandere auf schmalen Pfaden durch Olivenhaine, entlang glasklarer Buchten, hinauf zu Gipfeln und Kratern. Viele der auf den Karten verzeichneten Wege sind nicht mehr begehbar. Gestrüpp hat sie überwuchert oder starke Regenfälle weggespült. Deshalb ist es so wichtig, sie vorab zu begehen, um die perfekten Touren für eine Wanderwoche festzulegen. All das wird brav mit dem GPS-Gerät aufgezeichnet und schriftlich vermerkt.
Jede Insel überzeugt mit ihrer Einzigartigkeit, keine Wanderung ist wie die andere. Auf Alicudi beispielsweise leben lediglich 130 Personen. Hier gibt es weder Straßen noch Autos, dafür führen tolle Routen auf Eselspfaden Richtung Krater und Hochplateau. Salina ist die grünste und wildeste der Inseln und packt mich mit ihrer unverbauten Landschaft und ihren atemberaubenden Steilküsten. Panarea wiederum, die kleinste und exklusivste Insel des Archipels, strahlt mit schneeweißen Würfelhäuschen und bunten Blumenlandschaften. Vulcano beeindruckt mit seinem rauchenden Krater und seinen heißen Quellen.
An einem Traumtag nehme ich mir die Besteigung des Stromboli vor. Bei klarer Sicht möchte ich am Gipfel das Feuerspektakel hautnah miterleben.
Seit einiger Zeit fiebere ich diesem Erlebnis nun schon entgegen. Die richtige Ausrüstung – gutes Schuhwerk, lange Wanderhose, Wechselshirt, Jacke und Stirnlampe – ist Grundvoraussetzung und der Aufstieg ist lediglich mit einem geprüften Vulkanführer möglich. Schweißtreibend geht es bergan, aber die Stimmung in der Dämmerung, das Grollen aus dem Kraterinneren, die Eruptionen – all das ist eine mehr als lohnenswerte Entschädigung. Beim Abstieg verarbeite ich das spektakuläre Naturschauspiel, bevor wir in der Dunkelheit der Nacht mit dem Boot zurück nach Lipari schippern.
Wahnsinnig schnell vergeht die Zeit auf den Inseln mit ihren lieben Menschen und ihrer eindrücklichen Landschaftsvielfalt. So wundert es nicht, dass meine Vorfreude riesig ist, zurückzukehren und mit gleichgesinnten Naturliebhabern und Reiselustigen die Wander- und Genusswoche zu teilen, die ich aus all meinen Highlights zusammengestellt habe.